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  • Appell zum Schutz von Verschlüsselung für die Gesellschaft

    Appell zum Schutz von Verschlüsselung für die Gesellschaft

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    Sehr geehrter Herr Bundesminister Dobrindt,

    Verschlüsselung ist eine unverzichtbare Technologie für die Sicherheit Deutschlands und der EU. Als Voraussetzung für sichere und vertrauliche Kommunikation im digitalen Zeitalter ist Verschlüsselung das Fundament, auf dem sowohl die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen als auch die Resilienz von demokratischen Institutionen aufgebaut sind. Als zivilgesellschaftliche Initiative appellieren wir darum an Sie, sich für den Schutz von Verschlüsselung einzusetzen.

    Die Europäische Kommission hat am 11. Mai 2022 den Entwurf einer „Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ (CSA-Verordnung) vorgelegt. Es ist unbestritten, dass Kindern vor sexualisierter Gewalt geschützt werden müssen, und dass Staat und Gesellschaft hier entschieden agieren müssen. Eine Vielzahl an Gutachten und Stellungnahmen von Sachverständigen hat aber festgestellt, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen dieses Ziel nicht effektiv oder verhältnismäßig erreichen würden. 1 2

    Stattdessen würden mit der sogenannten Chatkontrolle – welche der Kritik an dem Gesetzesvorschlag ihren Namen gegeben hat – die IT-Sicherheit und Privatsphäre aller Menschen in der EU anlasslos und massenhaft unterminiert. Ein solcher Eingriff in die Grundrechte aller Menschen, einschließlich Betroffener, wäre auch nach Ansicht des Deutschen Kinderschutzbundes für den effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualiserter Gewalt nicht zielführend.3

    Die Bestrebungen der Europäischen Kommission würden das Ende verschlüsselter und vertraulicher Kommunikation bedeuten. In einer Zeit der täglich zunehmenden Cyberangriffe würde dies nicht nur einen massiven Eingriff in die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger bedeuten, sondern auch immense Gefahren im Bereich der Cybersicherheit mit sich bringen.

    Der Gesetzesvorschlag sieht das Scannen sämtlicher Nachrichteninhalte aller Bürgerinnen und Bürger vor. Mit dem Fernmeldegeheimnis und dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme setzt die Chatkontrolle gleich zwei fundamentale Grundrechte außer Kraft. Nutzerinnen und Nutzer verlieren die Kontrolle darüber, welche Daten sie wie mit wem teilen. Sie verlieren das Grundvertrauen in ihre eigenen Geräte.

    Des weiteren schießen die vorgesehenen Maßnahmen am Ziel vorbei. Kriminelle nutzen bereits heute alternative Kommunikationswege, die nicht von der Verordnung erfasst wären oder diese umgehen. Außerdem verschlüsseln sie ihre Daten zusätzlich, wodurch sie den geplanten Scans leicht entgehen können. Stattdessen würden unzählige Unschuldige betroffen. Selbst geringe Fehlerquoten der eingesetzten KI-Systeme würden zu massenhaften Falschmeldungen führen.4 So würden Ermittlungsbehörden überlastet und von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten.

    In der Vergangenheit sind insbesondere Jugendliche selbst verdächtigt worden – auch wenn diese einvernehmlich miteinander kommuniziert haben.5 Eine repräsentative Umfrage hat gezeigt, dass zwei Drittel der Jugendlichen in der EU die Chatkontrolle ablehnen.6

    Als Vertretung der Zivilgesellschaft sind wir zutiefst besorgt über die drohenden Konsequenzen für unsere Demokratie. Die Chatkontrolle wäre nicht vereinbar mit europäischen Grundrechten und dem Grundgesetz. Dies haben zahllose Gutachten bestätigt, einschließlich solche der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages,7 des Europäischen Parlaments8 und des Rates der EU9. Eine allgemeine und anlasslose Überwachung der privaten Kommunikation ist mit dem Recht auf Privatsphäre und dem Schutz personenbezogener Daten unvereinbar.

    Im Moment läuft das Gesetzgebungsverfahren zur CSA-Verordnung in den EU-Institutionen. Aufgrund der zahlreichen Bedenken an der Chatkontrolle hat das Europäische Parlament eine Position verabschiedet, welche sich gegen eine anlasslose Chatkontrolle wendet und stattdessen auf zielgerichtete Ermittlungsbefugnisse und auf dringend notwendige Maßnahmen zur Prävention solcher Taten und zur Unterstützung von betroffenen Kindern und Jugendlichen setzt. Im Rat der EU ist auch nach mehreren Anläufen bislang keine Einigung erfolgt.

    Nach unserem Kenntnisstand hat sich die Deutsche Bundesregierung stets konstruktiv in die Verhandlungen im Rat der EU eingebracht. Die von Deutschland bisher vorgetragene Position ist die Forderung effektiven Kinderschutz und gleichzeitig das Recht auf sichere Verschlüsselung sicherzustellen. Wir appellieren an Sie, Herr Innenminister Dobrindt, an dieser klaren Position und damit an der Ablehnung der Chatkontrolle festzuhalten.

    Statt auf ineffektive und grundrechtswidrige Überwachungsmaßnahmen zu setzen, welche die Cybersicherheitslage in Deutschland massiv verschlechtern würden, sollten wir in den Ausbau der Ermittlungskapazitäten und in die Stärkung von Institutionen investieren, die sich aktiv für den Schutz von Kindern einsetzen.

    Mit diesem Brief möchten wir Sie zum direkten Austausch zu dem Thema einladen und anbieten, auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit unserer Expertise zur Verfügung zu stehen.

    Für das Bündnis Chatkontrolle STOPPEN!
    Mitzeichnende Organisationen:

    • Amnesty International Deutschland
    • Anoxinon e.V.
    • Chaos Computer Club
    • CILIP / Bürgerrechte und Polizei
    • D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt
    • Dachverband der Fanhilfen
    • Datenpunks
    • Datenpunks Bremen
    • Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)
    • Deutscher Fachjournalistenverband (DFJV)
    • Digitale Freiheit
    • Digitale Gesellschaft e.V. (Deutschland)
    • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF e.V)
    • Frauen Computer Zentrum Berlin e.V. (FCZB)
    • Gesellschaft für Informatik (GI)
    • Giordano-Bruno-Stiftung (gbs)
    • Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.
    • Komitee für Grundrechte und Demokratie
    • LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik
    • Kleindatenverein
    • MOGIS e.V. – eine Stimme für Betroffene
    • SUPERRR Lab
    • Whistleblower-Netzwerk

    Fussnoten:


    1. Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschuss Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw09-pa-digitales-928540 ↩︎

    2. Sammlung Stellungnahmen und Gutachten zur Chatkontrolle (Übersichtssteite auf Englisch):
      https://edri.org/our-work/most-criticised-eu-law-of-all-time/ ↩︎

    3. Stellungnahme Kinderschutz Bundesverband e.V. zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschuss Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023: https://www.bundestag.de/resource/blob/935798/Stellungnahme-Tuerk.pdf ↩︎

    4. Stellungnahme Chaos Computer Club zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschuss Digitales zur Chatkontrolle, 1. März 2023: https://www.bundestag.de/resource/blob/935528/Stellungnahme-Eickstaedt.pdf ↩︎

    5. Interview mit Prof. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg : https://netzpolitik.org/2023/kriminalpraevention-dontsendit-wie-minderjaehrige-unter-kinderpornografie-verdacht-geraten/↩︎

    6. Repräsentative Umfrage unter 8000 Jugendlichen zwischen 13-18 Jahren aus 13 Ländern in Europa: https://netzpolitik.org/2023/europaweite-umfrage-zwei-drittel-aller-jugendlichen-gegen-chatkontrolle/↩︎

    7. Wissenschaftlicher Dienst Bundestag: https://www.bundestag.de/resource/blob/914580/
      9eba1ff3a5daa7708fca92e3184a1ae3/WD-10-026-22-pdf-data.pdf
      ↩︎

    8. Wissenschaftlicher Dients des Europäischen Parlaments (EPRS): https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2023/740248/EPRS_STU(2023)740248_EN.pdf↩︎

    9. Juristischer Dienst des Rats der Europäischen Union: https://www.bitsoffreedom.nl/wp-content/uploads/2023/
      05/20230426-opinion-legal-services-on-csar-proposal.pdf
      ↩︎
  • Insecurity by Design – offener Brief gegen die „GoingDark“ Pläne der EU

    Zusammen mit EDRi und ca. 50 anderen Organisationen der Zivilgesellschaft haben wir einen Offenen Brief gegen die Überwachungsagenda #GoingDark unterschrieben. Ziel der Arbeitsgruppe ist ein maximaler Zugang für Ermittlungsbehörden zu privaten Daten.

    Wir veröffentlichen hier die von der DVD erstellte deutsche Übersetzung des Dokuments.

    An den
    Rat für Justiz und Inneres („JI-Rat“, Justice and Home Affairs Council)
    nachrichtlich an:
    den Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit
    (Standing Committee on Operational Cooperation on Internal Security – COSI)
    den Koordinierungsausschuss für den Bereich der polizeilichen und justiziellen
    Zusammenarbeit in Strafsachen (Coordinating Committee in the area of police and judicial
    cooperation in criminal matters – CATS)
    Generaldirektorin Beate Gminder und stellv. Generaldirektor Olivier Onidi der
    Generaldirektion Migration und Inneres
    den Europäischer Datenschutzausschuss
    das Europäisches Parlament, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)

    11. Dezember 2024
    Offener Brief mit der Forderung, dass die EU-Agenda für digitale Sicherheit die
    Grundrechte fördert und ein sicheres digitales Ökosystem unterstützt


    Sehr geehrte Damen und Herren,
    wir, die unterzeichnenden Berufsverbände, Medienorganisationen, zivilgesellschaftlichen
    Gruppen, Gewerkschaften, Sozialverbände und Technologieunternehmen, schreiben Ihnen
    wegen der Notwendigkeit einer EU-Agenda für digitale Sicherheit, die Gerechtigkeit,
    Rechenschaftspflicht und die Achtung der Grundrechte gewährleistet und der Entwicklung
    eines sicheren digitalen Ökosystems dient.
    Wir sind insofern wegen den Empfehlungen und dem Bericht der Hochrangigen Gruppe
    (HLG) über den „Zugang zu Daten für eine wirksame Strafverfolgung“ besorgt1. Angesichts
    des umfassenden Strebens der HLG, den Strafverfolgungsbehörden den größtmöglichen
    Zugang zu personenbezogenen Daten zu gewähren, sehen wir hohe Risiken einer
    Massenüberwachung, für die Sicherheit und für den Schutz der Privatsphäre, sollten diese
    Empfehlungen als Grundlage für künftige politische Maßnahmen und Rechtsvorschriften der EU dienen.
    Wir fordern Sie daher dringend auf bei der Festlegung der EU-Prioritäten in diesem
    Politikbereich die folgenden Ratschläge zu berücksichtigen.


    Achtung der Grundrechte und Gewährleistung der Sicherheit und Vertraulichkeit des
    digitalen Raums

    Wir warnen davor, dass den Strafverfolgungsbehörden uneingeschränkte Befugnisse
    eingeräumt werden, die zu einer Massenüberwachung führen und die Grundrechte verletzen.

    Insbesondere das von der HLG unterstützte Konzept des „lawful access by design “2, das
    darauf abzielt den Datenzugang der Strafverfolgungsbehörden in die Entwicklung aller
    Technologien einzubeziehen, beunruhigt uns sehr. In der Praxis würde dieses die
    systematische Schwächung aller digitalen Sicherheitssysteme bedeuten, auch, aber nicht nur, in Bezug auf die Verschlüsselung. Dieses würde die Sicherheit und Vertraulichkeit
    elektronischer Daten und Kommunikationen untergraben, die Sicherheit aller Menschen
    gefährden und die Grundrechte der Menschen stark einschränken. Dieses Konzept steht im
    Widerspruch zu den immer wieder vorgetragenen Empfehlungen von
    Menschenrechtsorganisationen, Datenschutz- und Cybersicherheitsexperten sowie zur
    Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)3.

    Deshalb sollten alle Maßnahmen verworfen werden, die den durch die Verschlüsselung
    gewährten Schutz umgehen oder abschwächen, da damit die Sicherheit und der Schutz der
    Privatsphäre von Millionen von Menschen und öffentlichen Einrichtungen gefährdet und
    unweigerlich das gesamte digitale Ökosystem geschädigt würde.

    Zudem erinnern wir daran, dass jede künftige EU-weit harmonisierte Regelung zur
    Vorratsspeicherung von und zum Zugang zu Daten4 die in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für
    Menschenrechte (EGMR) verankerten rechtlichen Anforderungen zum Schutz der
    Grundrechte vor Massenüberwachung, zur Erforderlichkeit und zur Verhältnismäßigkeit
    beachten muss. Insofern ist die vorgeschlagene Ausweitung der Verpflichtung zur
    Vorratsdatenspeicherung auf praktisch alle Dienste der Informationsgesellschaft,
    einschließlich des Internets der Dinge und der internetbasierten Dienste5, besonders
    bedenklich, da sie zur ungezielten und wahllosen Speicherung personenbezogener Daten
    führen würde. Diese umfassende allgemeine Überwachung würde bei den Menschen das
    Gefühl ständigen Überwachtwerdens des Privatlebens hervorrufen, was nicht als mit den oben genannten Anforderungen vereinbar ist.


    Wahrung des Rechts auf Privatsphäre und Unverletzlichkeit der geschützten
    Informationen

    Das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation gilt zwar nicht absolut,
    doch muss jeder Eingriff in die Grundrechte den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, der
    strikten Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Eine generelle und
    wahllose Vorratsspeicherung personenbezogener Daten, die die Erstellung detaillierter Profiledes Einzelnen ermöglicht, sowie Maßnahmen, die die Sicherheit der gesamten privaten Kommunikation untergraben, widersprechen diesen Grundsätzen.


    Solche allgemeinen und willkürlichen Maßnahmen betreffen auch Personen, deren
    Kommunikation dem Berufsgeheimnis unterliegt, also Ärzten und ihre Patienten, Journalisten und ihre Quellen, Rechtsanwälte und Sozialarbeiter und ihre Klienten. Der für diese Kommunikation gewährte Rechtsschutz ist eine unabdingbare Voraussetzung für die
    wirksame Ausübung anderer Grundrechte, einschließlich des Rechts auf ein faires Verfahren
    und auf Verteidigung, der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit mit
    der Medien- und Pressefreiheit, der Gedanken- und Religionsfreiheit, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie des Rechts auf soziale Unterstützung und Gesundheitsfürsorge.


    Wir befürchten, dass die geplanten weitreichenden Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zum Datenzugriff die Vertraulichkeit geschützter Kommunikation und damit verbundene Grundrechte beeinträchtigen würden. Es besteht die Gefahr, dass diese Maßnahmen zur Verfolgung von Journalisten, Menschenrechtlern, Anwälten, Aktivisten und politischen Dissidenten missbraucht werden. Es ist entscheidend, dass die EU die Unverletzlichkeit von Daten und anderen Beweismitteln garantiert, die dem (anwaltlichen) Berufsgeheimnis unterliegen.


    Unterstützung eines sicheren, vertrauenswürdigen und diversifizierten digitalen
    Ökosystems

    Verantwortungsbewusste Gerätehersteller und Diensteanbieter investieren erhebliche
    Ressourcen in die Verbesserung der Sicherheit ihrer Geräte und der Zuverlässigkeit ihrer
    Dienste. Damit wird nicht nur den Anforderungen der zunehmend datenschutzbewussten
    Nutzer genügt, sondern auch denen der Regulierungsbehörden, die für die Durchsetzung
    hoher Standards in den Bereichen Cybersicherheit und Datenschutz zuständig sind. Die EU
    verfügt über den einzigartigen Vorteil eines Datenschutzrahmens, der einen hohen rechtlichen Standard für den Schutz der Grundrechte und Freiheiten der Menschen in einer Welt setzt, in der die Privatsphäre ständig angegriffen wird.


    Die Vision der HLG ist leider geeignet die Fähigkeit der Europäer künftig vertrauenswürdige
    digitale Werkzeuge zu wählen, zu untergraben. Den Betreibern sollen dadurch umfangreiche
    und manchmal widersprüchliche Verpflichtungen auferlegt werden. So sollen sie gezwungen werden mehr Nutzerdaten zu sammeln und zu speichern, als für die Bereitstellung ihrer Dienste erforderlich sind, das Abhören in Echtzeit6 zu ermöglichen und entschlüsselte Daten an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben ohne dabei die Sicherheit ihrer Systeme zu gefährden. Entgegen der Intention der HLG, die digitale Sicherheit zu wahren, besteht real keine technische Möglichkeit, das Versprechen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu brechen, ohne die Sicherheit der Kommunikationssysteme zu schwächen. Eine Hintertür – oder jeder andere Umgehungsmechanismus –, der für die Strafverfolgung gedacht ist, kann immer auch von anderen Akteuren ausgenutzt werden, wie zahlreiche Beispiele gezeigt haben7.


    Zuletzt skizziert die hochrangige Gruppe auch einen besorgniserregenden
    Durchsetzungsrahmen, der harte Sanktionen zur Abschreckung und Bestrafung der
    Nichteinhaltung von EU-Verpflichtungen und Strafverfolgungsanordnungen vorsieht
    (Verwaltungssanktionen, Handelsverbot, Haftstrafen)8. Wir sehen dadurch die Gefahr, dass
    zuverlässige Anbieter sicherer Dienste, wenn sie kleine oder gemeinnützige Unternehmen
    sind, vom EU-Markt oder von Geschäftsfeldern verdrängt werden oder dass sie, wenn sie den Sitz in der EU haben, daran gehindert werden sichere Lösungen zu entwickeln. Dies wäre für die Initiativen und Ambitionen der EU im Bereich der Cybersicherheit natürlich äußerst nachteilig.


    Wir sind uns darüber im Klaren, dass die den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung
    stehenden Ermittlungsmaßnahmen dem digitalen Zeitalter angemessen sein und den
    einzigartigen Herausforderungen durch grenzüberschreitende Online-Dienste genügen
    müssen. Effizienz darf aber nicht auf Kosten einer Schwächung der Grundrechte, des
    Rechtsschutzes und der europäischen Wirtschaft erreicht werden. Wir sind davon überzeugt, dass diese Ziele von allgemeinem Interesse mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreichbar sind als mit einer Massenüberwachung und einer systematischen Schwächung zentraler Sicherheitsgarantien.


    Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Berücksichtigung und stehen Ihnen für Rückfragen
    gerne zur Verfügung.


    Mit freundlichen Grüßen,


    (Die Unterzeichner)
    Access Now – ARTICLE 19, International – Association of European Journalists, Belgium
    (AEJ Belgium) – Bits of Freedom, Netherlands – Bolo Bhi, Pakistan – Centre for Democracy
    and Technology Europe (CDT Europe) – Chaos Computer Club (CCC), Germany – Civil
    Liberties Union for Europe (Liberties) – Committee to Protect Journalists (CPJ) – Community – Media Forum Europe (CMFE) – Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) – Cryptee, Estonia – D3 – Defesa dos DIreitos Digitais, Portugal – Danes je nov dan, Slovenia – Datenpunks, Germany – Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), Germany – Deutscher Anwaltverein (German Bar Association) – Digital Rights Ireland – Digitale Gesellschaft, Germany – Digitale Gesellschaft, Switzerland – eco – Verband der
    Internetwirtschaft e.V. – Electronic Frontier Foundation (EFF), International – Electronic
    Privacy Information Center (EPIC), United States of America – Element – Epicenter.works –
    for digital rights, Austria – Eurocadres – EuroISPA – The European Association of Internet
    Services Providers – European Broadcasting Union (EBU) – European Digital Rights (EDRi)
    – European Federation of Journalists (EFJ) – European Magazine Media Association
    (EMMA) – European Newspaper Publishers’ Association (ENPA) – European Publishers
    Council (EPC) – Global Forum for Media Development (GFMD) – Global Network Initiative
    (GNI) – Heartland Initiative – IFEX – Initiative für Netzfreiheit, Austria – IT-Pol, Denmark –
    La Quadrature du Net, France – Ligue des droits humains, Belgium – Mailfence, Belgium –
    Malta Information Technology Law Association (MITLA) – News Media Europe (NME) –
    Nextcloud GmbH, Germany – Panoptykon Foundation, Poland – Politiscope, Croatia –
    Privacy International – Proton, Switzerland – SHARE Foundation, Serbia – South East
    Europe Media Organisation (SEEMO) – Statewatch, International – Tech Global Institute –
    Tuta Mail, Germany – Wikimedia Foundation


    Diesen offenen Brief im englischsprachigen Original finden Sie unter:
    https://www.datenschutzverein.de/wpcontent/
    uploads/2024/12/Open_Letter_on_HLG_Access_to_Data_for_Effective_Law_Enforc
    ement_Recommendations.pdf


    Die Themenseite von EDRi zum offenen Brief finden Sie hier:
    https://edri.org/our-work/shedding-light-we-address-the-flawed-going-dark-report

    1 Empfehlungen der High-Level Group on Access to Data for Effective Law Enforcement, https://homeaffairs.ec.europa.eu/document/download/1105a0ef-535c-44a7-a6d4-a8478fce1d29_en.
    2 Empfehlungen 22, 23, 25, 26.
    3 In der Rechtssache PODCHASOV gegen RUSSLAND entschied der EGMR, dass eine allgemeine Verpflichtung zur Schwächung der Verschlüsselung in einer demokratischen Gesellschaft unverhältnismäßig ist, nachdem er festgestellt hatte, dass Entschlüsselungsverpflichtungen „angeblich nicht auf bestimmte
    Personen beschränkt werden können und jeden wahllos betreffen würden, auch Personen, die keine Bedrohung für ein legitimes staatliches Interesse darstellen“.
    4 Empfehlungen 27 bis 32.
    5 Empfehlung 27 ii.
    6 Empfehlung 38.
    7 So waren beispielsweise die in den TLS/SSL-Protokollen eingebauten Schwachstellen ein Jahrzehnt lang auf
    Regierungswebsites zu finden, bevor sie 2015 behoben wurden:
    https://blog.cryptographyengineering.com/2015/03/03/attack-of-week-freak-or-factoring-nsa/. Weitere
    Beispiele sind der Hack der rechtmäßigen Abhöreinrichtungen von Vodafone in Griechenland, die sogenannte
    „Athener Affäre“, die das Abhören von über 100 Politikern ermöglichte, was schwerwiegende Folgen für die
    nationale Sicherheit hatte. Ein weiteres Beispiel aus jüngster Zeit ist der massive Cyberangriff, im
    Breitbandnetze der Vereinigten Staaten, einschließlich AT&T und Verizon, über die Kanäle, die von der USRegierung
    für gerichtlich genehmigte Abhörmaßnahmen in Breitbandnetzen genutzt werden:
    https://www.wsj.com/tech/cybersecurity/u-s-wiretap-systems-targeted-in-china-linked-hack-327fc63b.
    8 Empfehlungen 33 bis 36.