Schlagwort: sicherheitspaket

  • Die größte Enttäuschung seit Beginn der Ampel-Regierung. Zivilgesellschaft kritisiert das Sicherheitspaket.

    Die Zivilgesellschaft kritisiert die angepassten Maßnahmen des sogenannten Sicherheitspakets, das am Mittwoch, den 16. Oktober 2024 im Innenausschuss des Bundestages beraten und noch diese Woche vom Parlament beschlossen werden soll.

    In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt das Bündnis „Gesichtserkennung Stoppen“:

    Das sogenannte Sicherheitspaket ist die größte Enttäuschung im Hinblick auf Bürgerrechte seit Beginn der Ampel-Regierung. Unter dem Eindruck des Anschlags in Solingen und mehrerer Landtagswahlen ist die Koalition von ihrem Anspruch auf eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Innenpolitik abgerückt. Trotz der breiten Kritik der geladenen Sachverständigen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Expert*innen sollen die weitgehenden neuen Befugnisse noch diese Woche beschlossen werden. Durch das Gesetzespaket erhalten Bundespolizei, BKA und BAMF neue Befugnisse mit beispielloser Reichweite. Die neuen Befugnisse zum biometrischen Abgleich bzw. zur Identifizierung anhand von allen im Internet öffentlich zugänglichen Daten und die automatisierte Datenanalyse durch Anbietende wie Palantir, Clearview, PimEyes und Co greifen tief in die Grundprinzipien einer offenen, freiheitlichen und selbstbestimmten Gesellschaft ein. Sie verstoßen gegen EU-Recht und die deutsche Verfassung und brechen die Versprechen des Koalitionsvertrages, gegen biometrische Massenüberwachung vorzugehen. Die vorliegenden Änderungsanträge können auch die Bedenken gegenüber dem Missbrauchspotenzial der neuen Befugnisse, der strukturellen Diskriminierung und der grundrechtsschonenden Durchsetzung nicht aus dem Weg räumen. Insbesondere mit Blick auf das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte sind das Sicherheitspaket und die darin enthaltenen Maßnahmen zutiefst besorgniserregend.

    Zudem nehmen wie folgt Stellung:

    Markus Korporal für die Datenpunks: „Wir appellieren an die Ampel, mit einem positiven und solidarischen Gesellschaftsentwurf gegen Hass und rechte Narrative anzutreten, anstatt diese auch noch in Gesetzesform zu gießen. Lediglich als Echokammer für Faschisten zu dienen, darf nicht der Anspruch einer als Fortschrittskoalition angetretenen Regierung sein.“

    Svea Windwehr, Co-Vorsitzende von D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt: „Das Sicherheitspaket macht unsere Gesellschaft unsicherer und schwächt unsere Demokratie. Der angebliche Gewinn an Sicherheit steht in keinem Verhältnis zu dem massiven Eingriff in Grundrechte wie dem Recht auf Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung. Auch die Änderungsanträge der Ampel-Fraktionen können die fundamentalen Bedenken am sogenannten Sicherheitspaket nicht ausräumen. Es bleibt zudem unklar, wie die Maßnahmen mit europäischen Vorgaben vereinbar sein sollen. Damit hält die Ampel an einem Kurs fest, der populistische Narrative stärkt, Rechte von besonders Schutzbedürftigen untergräbt und die Versprechen des eigenen Koalitionsvertrages bricht.“

    Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch: „Die Bemühungen einzelner Ampel-Parlamentarier*innen, das „Sicherheitspaket“ so zu ändern, dass es nicht gegen Grundrechte verstößt, beruhigen uns nicht im Geringsten. Es gibt keine Möglichkeit, Bilder von Verdächtigen mit denen aus dem Internet zu vergleichen, ohne eine Super-Datenbank mit Bildern von allen anzulegen. Das gefährdet die Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Autonomie in einer demokratischen Gesellschaft. Die Begründung, dass dadurch Morde wie in Solingen verhindert würden, ist höchst zweifelhaft. Stattdessen wird die Debatte befeuert, Migration gefährde die Sicherheit . Das ist falsch und Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen. Wir lehnen das Gesetz weiterhin ab und werden nach Wegen suchen, es zu verhindern, im Zweifel mit einer Verfassungsbeschwerde. Wir setzen auf zielgerichtete Polizeiarbeit, mit der Verbrechen verfassungs- und bürgerrechtskonform verhindert und aufklärt werden.“

    Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland: „Die Änderungen in einzelnen Bereichen haben das grundsätzliche Problem nicht behoben: Künftig müssten alle Menschen, die im Internet Fotos, Videos oder Tonaufnahmen hochladen, damit rechnen, dass diese mit biometrischer Überwachungstechnologie durchsucht und analysiert werden dürfen. Das hat einschüchternde Auswirkungen auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Es kann von menschenrechtsfeindlichen politischen Kräften missbraucht werden. Und laut technischen Expert*innen müssten dafür riesige Datenbanken aufgebaut werden, die von der KI-Verordnung verboten sind. Auch Racial Profiling wird durch die Maßnahmen weiterhin gefördert. Die grundsätzlichen Kritikpunkte bleiben also bestehen und sind so schwerwiegend, dass das Maßnahmenpaket vollständig in den Schredder gehört.“

    Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs: „Die vorliegenden Änderungsanträge sind lediglich Augenwischerei im Hinblick auf die geplante biometrische Massenüberwachung. Die Bundesregierung ignoriert weiterhin die Fehleranfälligkeit und die Risiken von KI. Sie schafft die Grundlage für eine dystopische Zukunft, in der niemand mehr anonym im öffentlichen Raum oder im Internet unterwegs sein kann. Als Reaktion auf ein solches Gesetz müssten wir ernsthaft darüber nachdenken, wie Überwachungsmaßnahmen sabotiert und abgeschaltet werden können.“

    Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft: „Die Verabschiedung des sogenannten Sicherheitspakets wäre die endgültige Abkehr der Ampel-Koalition vom Anspruch einer den Grundrechten verpflichteten Sicherheitspolitik. Die kleinen Änderungen, die nun eingefügt werden sollen, sind rein kosmetisch und ändern nichts daran, dass die Maßnahmen zu einem massiven Ausbau biometrischer Massenüberwachung, willkürlichen Polizeikontrollen und einer weitgehend entgrenzten Datenverarbeitung führen werden. Das ist die Agenda autoritärer Populisten und nicht die einer  „Fortschrittskoalition“.“

    Teresa Widlok von LOAD e.V.: „Das sogenannte Sicherheitspaket führt die rechtlichen und technischen Möglichkeiten für biometrische Überwachung und eine polizeiliche Superdatenbank ein. Zwar haben die Verhandler an vielen Stellen Schutzmaßnahmen eingebaut, die auch teilweise sehr erheblich sind – doch auch das ist letztlich nur Flickschusterei. Das eigentliche Problem ist, dass solche digitalen Befugnisse überhaupt zur Diskussion stehen. Im Windschatten der Empörung über Solingen haben die Sicherheitsbehörden ihre Chance gewittert und die erstbeste Gelegenheit ergriffen, um die Idee eines anonymen Internets weiter zu untergraben. Die Ergebnisse der aktuell noch laufenden Überwachungsgesamtrechnung wurden ebenfalls nicht abgewartet. Die Büchse der Pandora für noch weitergehende Überwachungsbefugnisse ist damit geöffnet.“

    Caroline Krohn von der AG Nachhaltige Digitalisierung stellt fest: Die Parlamentarier*innen sind von dem populistischen Gesetzesvorhaben überrumpelt worden. Hinter vorgehaltener Hand hält kaum ein*e Abgeordnete*r der regierungsnahen Fraktionen die Maßnahmen für effektiv, richtig und/oder moralisch vertretbar. Partei-, fraktions-, koalitionsinterne Zwänge sowie machtpolitisches Kalkül zwingen die Abgeordneten, sich von ihrem eigenen Gewissen und der Kontrollfunktion des Parlaments abzuwenden und sich der Gesetzesvorgabe zu beugen – zu Lasten der Freiheit und der Selbstbestimmung aller und zu Lasten der akuten Sicherheit und Unversehrtheit vulnerabler Gruppen, die bei all dem Feilschen um bessere Formulierungen in den Verhandlungsrunden schlicht keine Rolle gespielt zu haben scheinen. Dieses Gesetz gehört in Gänze verworfen. Es bleibt zu hoffen, dass die Mitglieder des Bundestages den Mut dazu finden. 

    Lotte Burmeister von Digitale Freiheit: „Eine Hose runter, alle Hosen runter – Das Vorhaben verkennt die technische Unmöglichkeit, nur Gesichter von Tatverdächtigen aus dem Internet zu ziehen. Stattdessen wird eine staatliche „Gesichterdatenbank“ bestehend aus Fotos von Social Media Rückschlüsse auf unser aller sexuelle Orientierung, politische Einstellung und Arbeitgeber bieten. Wenn die Ampel-Parteien noch glaubwürdig sein möchten, sollten sie auf eine solche Rechtsgrundlage verzichten und stattdessen wie im Koalitionsvertrag angelegt ein umfassendes nationales Verbot biometrischer Massenüberwachung im öffentlichen Raum beschließen.“

    Bildmaterial

    Bilder des Bündnisses Gesichtserkennen Stoppen bei der Demo gegen das Sicherheitspaket finden Sie hier:
     https://cloud.d-64.org/s/QxXZpJEy8KJBJ46 

    Alle Bildunterschriften: Das Bündnis Gesichtserkennen Stoppen stellt sich gegen das Sicherheitspaket

    Alle Foto-Credits: Gesichtserkennen Stoppen

    Hintergrundinformationen

    Stellungnahme von AlgorithmWatch für das Bündnis: 
     https://algorithmwatch.org/de/stellungnahme-sicherheitspaket/ 

    Bündnis-Seite:
    https://gesichtserkennung-stoppen.de/ 

  • Haltung zeigen: Menschenrechte verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen!

    Haltung zeigen: Menschenrechte verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen!

    In einem offenen Brief wenden wir uns mit vielen anderen Organisationen aus der Zivilgesellschaft gegen das sogenannte Sicherheitspaket der Bundesregierung, das unserer Meinung nach massiv gegen freiheitliche Grundrechte verstößt, und einen Überwachungsapparat ungeahnten Ausmaßes in Deutschland zur Folge hätte.


    Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

    mit den Gesetzentwürfen zum sogenannten Sicherheitspaket schlagen die Fraktionen der Ampel-Koalition die Verschärfungen des Asylrechts und die Einführung massenhafter biometrischer Überwachung vor. Trotz schwerwiegender offener Fragen bezüglich der Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihrer Konformität mit EU-Recht und dem Grundgesetz soll dieses Paket in Rekordzeit verabschiedet und umgesetzt werden.

    Das Sicherheitspaket sieht Maßnahmen vor, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vermuteten Gewinn an Sicherheit stehen. In einigen Bereichen besitzen die Regelungen reinen Symbolcharakter und werden die Sicherheitsbehörden im Vollzug mit neuen Aufgaben belasten, die sie davon abhalten, ihren eigentlichen Tätigkeiten nachzugehen.

    Gleichzeitig stützen die vorgeschlagenen Verschärfungen des Asylrechts autoritäre Narrative, die die Rechte „Anderer“, in diesem Fall asylsuchender Menschen, infrage stellen, und tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei. Asylsuchenden, für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, sollen zukünftig nach zwei Wochen alle Sozialleistungen gestrichen werden. Das untergräbt die Menschenwürde und ist inakzeptabel und völkerrechtswidrig. Die geplante Ausweitung anlassloser Kontrollen durch die Polizei ist ein Einfallstor für Racial Profiling.

    Wir fordern Sie dazu auf, sich dem kopflosen Aktionismus, der mit dem Sicherheitspaket einhergeht, entgegenzustellen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.

    Eingeführt werden soll auch die Befugnis zum biometrischen Abgleich des gesamten Internets mit Bildern und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen. Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen diese Befugnis nicht nur zur Bekämpfung von Terrorismus, sondern auch als neues Standardinstrument erhalten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sogar ohne Anfangsverdacht einer Straftat, nur um die Identität von Personen festzustellen.

    Eine solche Maßnahme ist technisch jedoch nur möglich, wenn riesige, unterschiedslose Gesichtsdatenbanken angelegt werden. Solche Gesichtsdatenbanken sind nach Artikel 5 der KI-Verordnung eine verbotene Praxis, da sie Massenüberwachung ermöglichen und zu schweren Verstößen gegen die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, führen können. Es gibt zwar Ausnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit, aber ein Verbot des Einsatzes von biometrischen Fernidentifizierungssystemen ist laut KI-Verordnung ausdrücklich möglich und kann von den Mitgliedsstaaten rechtlich eingeführt werden.

    Der Schutz von Menschenrechten darf nicht unter Vorbehalt stehen. Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren.

    Wir fordern Sie daher auf, sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.

    Im Koalitionsvertrag verpflichten sich die Regierungsparteien gleich an zwei Stellen, biometrische Überwachung in Deutschland zu verhindern: Die „[b]iometrische Erkennung im öffentlichen Raum“ wie auch der „Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken“ werden explizit abgelehnt.

    Es ist jetzt an der Zeit, ein Verbot biometrischer Überwachung konsequent zu verfolgen und Einschnitte in Grundrechte wie die ausufernden Ideen zur automatisierten Datenanalyse, die anlasslose IP-Adressdatenspeicherung, Videoüberwachung und Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, Onlinedurchsuchung für den Verfassungsschutz und die allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal abzulehnen.

    Wir fordern Sie auf, sich für den Schutz aller Menschen und das Recht auf ein Leben frei von Massenüberwachung und Kontrolle einzusetzen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Alphabetisch sortiert:

    • AlgorithmWatch
    • Amnesty International
    • Chaos Computer Club
    • D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt
    • Die Datenpunks
    • Digitale Freiheit e.V.
    • Digitale Gesellschaft e.V.
    • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF e.V.)
    • Gesichtserkennung Stoppen
    • Humanistische Union e.V.
    • Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.
    • Komitee für Grundrechte und Demokratie
    • #LeaveNoOneBehind
    • Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
    • netzbegrünung – Verein für grüne Netzkultur e.V.
    • Sea-Watch e.V.
    • Seebrücke
    • SUPERRR Lab
    • Topio e.V.
    • Wikimedia Deutschland e. V.